Nach einem Behandlungsfehler möchten viele Patienten wissen, welche Höhe an Schmerzensgeld sie realistisch erwarten können. Eine erste Orientierung bieten sogenannte Schmerzensgeldtabellen. Diese enthalten eine große Zahl gerichtlicher Entscheidungen und dienen als praxisnahes Hilfsmittel, um die Höhe eines angemessenen Schmerzensgeldes für bestimmte Verletzungen oder Schäden nach einem Behandlungsfehler einzuschätzen. Als Nachschlagewerk ermöglichen Schmerzensgeldtabellen es Geschädigten, Anwälten und Gerichten, den eigenen Fall mit ähnlichen Situationen zu vergleichen.
Die einzelnen Einträge bzw. dokumentierten Urteile beschreiben die Art des Fehlers, das Ausmaß der gesundheitlichen Schäden sowie die jeweils zugesprochene Entschädigungssumme. Somit geben Schmerzensgeldtabellen Betroffenen einen Anhaltspunkt dafür, welche finanziellen Ausgleichsmöglichkeiten ihnen nach einem ärztlichen Fehler offenstehen.
Schmerzensgeldtabellen in der Praxis
In der Praxis greifen Anwälte und Gerichte besonders häufig auf die Beck’sche Schmerzensgeldtabelle, die Schmerzensgeldtabelle von Hacks, Wellner, Klein und Kohake sowie die Celler Schmerzensgeldtabelle (Sammlung des OLG Celle) zurück. Diese Werke sammeln Urteile von deutschen Zivilgerichten und ordnen sie nach Art der Verletzung und Höhe des zugesprochenen Betrags. Dadurch entsteht ein Überblick darüber, wie Gerichte vergleichbare Fälle in der Vergangenheit bewertet haben.
Grenzen und Bedeutung der Schmerzensgeldtabelle in Einzelfällen
Die Schmerzensgeldtabelle ist ein reines Orientierungsmittel und bietet keine verbindlichen Vorgaben, sodass die Beträge nicht bindend sind. Sie spiegelt lediglich wider, wie bestimmte Gerichte in Einzelfällen entschieden haben. Allerdings ist jeder medizinische Schadensfall einzigartig und wird daher von den Gerichten individuell bewertet.
Das bedeutet konkret, dass die tatsächlichen Ansprüche in der Praxis auch dann höher oder niedriger ausfallen können, selbst wenn ähnliche Fälle in der Tabelle mit bestimmten Beträgen aufgeführt sind. Faktoren wie der Grad des Verschuldens, die Schwere und Dauer der Folgeschäden oder das Verhalten der Konfliktparteien während der Regulierung wirken sich unmittelbar auf die Bemessung aus. Die Tabelle dient daher als Ausgangspunkt für die weitere juristische Argumentation im jeweiligen Einzelfall.
Ein weiterer Aspekt, den Betroffene beachten sollten, ist die fehlende Berücksichtigung der Inflation. Viele der in den Tabellen aufgeführten Urteile stammen aus vergangenen Jahren oder sogar Jahrzehnten. Ein Schmerzensgeld von beispielsweise 20.000 Euro, das ein Gericht vor 15 Jahren zugesprochen hat, hätte heute aufgrund der Kaufkraftverluste einen deutlich höheren Wert. Deshalb kann eine reine Orientierung an Tabellen ohne juristische Bewertung dazu führen, dass die tatsächliche Entschädigungshöhe falsch angesetzt wird.
Individuelle Bewertung ist entscheidend
Jeder Behandlungsfehler ist einzigartig, jeder Fall ist anders und somit muss auch die Berechnung eines Schmerzensgelds individuell erfolgen. In die Bemessung fließen neben den Tabellen auch Faktoren wie Dauer und Intensität der Schmerzen, bleibende Einschränkungen, psychische Folgen oder das Verschulden des Arztes ein. Schmerzensgeldtabellen sind daher zwar eine wertvolle Grundlage, ersetzen aber keine individuelle Prüfung durch einen erfahrenen Fachanwalt für Medizinrecht.