Schmerzensgeld

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Funktion des Schmerzensgeld

Das Schmerzensgeld hat eine doppelte Funktion.

Zum Anspruch auf Schmerzensgeld hat der Bundesgerichtshof bereits im Beschluss des Großen Senates für Zivilsachen vom 06.07.1955, Az: GSZ 1/55, BGHZ 18, 149/168, ausgeführt:

  1. „der Anspruch auf Schmerzensgeld nach BGB § 847 [Anmerkung der Kanzlei: Die Vorschrift wurde durch das 2. Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 mit Wirkung vom 01.08.2002 aufgehoben und findet sich jetzt in § 253 BGB] ist kein gewöhnlicher Schadensersatz, sondern ein Anspruch eigener Art mit einer doppelten Funktion: Er soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden bieten, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schuldet für das, was er ihm angetan hat.
  2. Bei der Festsetzung dieser billigen Entschädigung dürfen grundsätzlich alle in Betracht kommenden Umstände des Falles berücksichtigt werden, darunter auch der Grad des Verschuldens des Verpflichteten und die wirtschaftlichen Verhältnisse beider Teile.
    1. Dabei hat die Rücksicht auf Höhe und Maß der Lebensbeeinträchtigung (Größe, Heftigkeit und Dauer der Schmerzen, Leiden und Entstellungen) durchaus im Vordergrund zu stehen, während das Rangverhältnis der übrigen Umstände den Besonderheiten des Einzelfalles zu entnehmen ist.
    2. Findet der Verpflichtete Ersatz seiner Leistung durch einen Ausgleichsanspruch oder durch eine Haftpflichtversicherung, so ist dies bei der Beurteilung seiner wirtschaftlichen Lage zu berücksichtigen.
  3. Mehreren Schädigern gegenüber ist erforderlichenfalls die Entschädigung nach BGB § 847 im Verhältnis zu jedem besonders zu bemessen.“

Ermittlung eines angemessenen Schmerzensgeld

Zu Ermittlung eines angemessenen Schmerzensgeldes fragen wir u.a. nach:

  1. Behinderungen im Alltag, etwa durch Schmerzen oder psychischen Beeinträchtigungen.
  2. Behinderung bei Tätigkeiten im Haushalt und in der Körperpflege.
  3. Behinderungen im Erwerbsleben.
  • Unmöglichkeit der Erfüllung eines Berufswunsches,
  • Aufgabe eines Berufs mit Zukunftsängsten,
  • Aufgabe der Karriere wegen Verlust des Partners, bei Sportlern wegen grundlegender Umstellung des Lebensstils etc.,
  • nachhaltige Störung einer schulischen Entwicklung eines Kindes durch einen langen Krankenhausaufenthalt,
  • bei Selbständigen Minderung der Leistungsfähigkeit, ein zeitweiser oder dauernder Ansehens-Vertrauensverlust, Zweifel an der Leistungskraft seitens potenzieller Kunden oder Auftraggeber.
  1. Behinderung im Familienleben
  • Verlust an Normalität des Familienlebens z.B. bei gesundheitlich dauerhaft geschädigten Partnern oder Kindern, etc.
  1. Behinderung in der Freizeitgestaltung:
  • Verlust an Freizeit, etwa durch häufige Arztbesuche,
  • Beeinträchtigung bei sportlichen Aktivitäten,
  • Verlust an sozialen Kontakten.
  1. Sonstiges.

Die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes wird von Gerichten zurückhaltend vorgenommen.

Nur als erste Anhaltspunkte können die Schmerzensgeldtabellen und Entscheidungen in

  • www.juris.de,
  • www.beck-online.de,
  • Hacks / Wellner / Häcker SchmerzensgeldBeträge 2016, Deutscher Anwaltverlag,
  • AHRS- Kullmann u.a. Arzthaftpflichtrechtsprechung, lose Blattsammlung, Erich Schmidt Verlag,
  • Slizyk , Beck´sche Schmerzensgeldtabelle 2015, Verlag C.H. Beck, usw.

dienen.

Komplexe Sachverhalte wie Arzthaftpflichtmandate weisen eine Vielzahl von Besonderheiten auf, die sich in den Entscheidungen nicht wiederfinden.

Zudem werden die Schmerzensgelder in Deutschland nach wie vor zu niedrig angesetzt.

Die Rechtsgedanken des Beschlusses des Großen Senats für Zivilsachen vom 06.07.1955 sind keineswegs umgesetzt.

Teilweise wird in der Literatur daher die Auffassung vertreten, das Schmerzensgeld Tag genau zu bemessen. Hierbei wird ein Vergleich zu der Tag genauen Nutzungsausfallentschädigung bei der Vorenthaltung des Gebrauchs eines Pkw gezogen und dargestellt, dass Schmerzensgeldbeträge auf den Tag bezogen deutlich unter denen von Nutzungsausfallentschädigungen für Pkws liegen.

Das System der von der Rechtsprechung anerkannten Schmerzensgeldbeträge ist zudem beispielsweise für Angehörige Verstorbener schwer nachvollziehbar. Das Rechtsgut Leben ist in § 253 Abs. 2 BGB nicht explizit genannt. Dies führt zu dem nicht verständlichen Widerspruch, dass im Falle des Todes eines Angehörigen je nach Dauer der Leidenszeit nur ein sehr geringes Schmerzensgeld gewährt wird, im Fall eines Schwerstverletzten, der für viele Jahre im Koma liegt, jedoch eine erhebliche Summe an Schmerzensgeld gezahlt werden soll.

Dieser Wertungswiderspruch führt zu einem Leerlaufen der Verhaltenssteuerungsfunktion des Haftungsrechts, der nicht akzeptabel ist.

Wird keine außergerichtliche Einigung über die Höhe des Schmerzensgeldes erzielt, ist im Klageverfahren ein sogenannter unbestimmter Schmerzensgeldanspruch zu stellen. Der Antrag soll den ungefähren Rahmen und den Streitwert angeben, damit das Gericht gemäß § 287 ZPO von seinem Ermessensspielraum Gebrauch machen kann.

Der Anspruch auf Schmerzensgeld ist vererblich.

Die Erben des verstorbenen Geschädigten können dessen Schadensersatzanspruch auf Schmerzensgeld aus übergegangenem Recht geltend machen.

Angehörigenschmerzensgeld

Auch kann nahen Angehörigen ein eigener Schmerzensgeldanspruch für den Verlust des Getöteten, etwa wenn Eltern ihr Kind verlieren, als Schockschaden zustehen.

Dies setzt jedoch voraus, dass eine über ein normales Maß an Trauer vorliegende seelische Erschütterung den Angehörigen selbst krank macht. Der Verlust der nahestehenden Person muss die körperliche oder seelische Verfassung nachweislich und spürbar beeinträchtigen. Das Leid des Angehörigen, Schmerzen, langanhaltender Kummer oder Sorgen, Wesensänderung oder eine deutliche Schmälerung der Lebensfreude muss Folge des Schädigungsereignisses sein und diesem kausal zugerechnet werden können, Urteil des BGH vom 11. Mai 1971, Az. VI ZR 78/70.

Das Schmerzensgeld ist nicht einkommensteuerpflichtig.

Das Schmerzensgeld ist nicht einkommenssteuerpflichtig, denn es fällt nicht unter eine der sieben steuerbaren Einkunftsarten des Einkommenssteuergesetzes, BFH, Urteil vom 22. April 1982, Az. III R 135/79. Zinserträge aus Schmerzensgeldzahlungen unterliegen aber als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. §§ 2 Abs.1 S. 1 Nr. 5, 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG der Steuerpflicht.

Keine Anrechnung von Schmerzensgeld auf Sozialleistungen.

Schmerzensgeldzahlungen sind nicht als Einkommen bei Arbeitslosengeld II § 11a Abs. 2 SGB II sowie Sozialhilfe § 83 Abs. 2 SGB XII zu berücksichtigen. So BVErwG  Urteil vom 18. Mai 1995, Az. 5 C 22/93, NJW 1995,3001. Angespartes Schmerzensgeld müssen sich Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger auch nicht als Vermögen auf die laufenden Leistungen anrechnen lassen. Diese Verwertung wäre eine besondere Härte und ist daher ausgeschlossen, Urteil des BSG vom 15. April 2008, Az. B 14/7b AS 6/07R. Zinserträge dürfen nach der Rechtsprechung des BSG jedoch aus angelegtem Schmerzensgeld als Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigt werden, Urteil des BSG vom 22. August 2012, Az. B 14 AS 103/11R. Dies gilt nach der Rechtsprechung des BVerwG auch für das Wohngeld, Beschluss vom 09. Februar 2012, Az. 5 C 10/11 NJW 2012, 1305. Für die Bezahlung eines rechtlichen Betreuers muss Schmerzensgeld ebenfalls gemäß § 1836 c Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verbindung mit § 83 Abs. 2 SGB XII nicht eingesetzt werden.